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Landgericht Stuttgart gibt Klage auf Herausgabe einer Vielzahl von Kunstwerken des bekannten Bauhaus-Künstlers Oskar Schlemmer überwiegend statt

Datum: 15.06.2023

Kurzbeschreibung: Die 7. Zivilkammer des Landgerichts Stuttgart hat mit am 15. Juni 2023 verkündetem Urteil einer Teilauseinandersetzungsvollzugs-  und Auseinandersetzungsvorbereitungsklage einer Erbin der verstorbenen Witwe des bekannten Bauhaus-Künstlers Oskar Schlemmer gegen einen Miterben überwiegend stattgegeben (Aktenzeichen 7 O 266/09).

Der Streitwert wurde mit über 38 Mio. Euro angesetzt.

Gegenstand des Verfahrens

Die Parteien sind die Miterben der 1987 verstorbenen Witwe des bekannten Bauhauskünstlers Oskar Schlemmer, Anna Helene Schlemmer, deren Nachlass aus einer Vielzahl von Werken ihres 1943 verstorbenen Mannes besteht. Die Nachlasszugehörigkeit und der Besitz des Beklagten einer großen Vielzahl von Werken ist zwischen den Parteien umstritten. Zwischen der Klägerin und dem Beklagten bzw. der mittlerweile verstorbenen Mutter des Beklagten werden über den Nachlass seit über 20 Jahren Gerichtsverfahren vor verschiedenen Gerichten geführt. Zwischenzeitlich wurde auch ein Mediationsverfahren durchgeführt.

Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits ist zunächst eine Klage auf Vollzug eines bereits im Vorprozess 7 O 147/05 ausgeurteilten Teilauseinandersetzungsplanes. Dies umfasst insbesondere die begehrte Verurteilung des Beklagten auf Zustimmung zur öffentlichen Versteigerung der in dem Teilauseinandersetzungsplan genannten Werke Oskar Schlemmers sowie zur Herausgabe dieser Werke zum Zweck der Versteigerung.

Darüber hinaus begehrt die Klägerin die Herausgabe einer Vielzahl von weiteren Werken (ca. 1.600 Einzelstücke) Oskar Schlemmers an die Erbengemeinschaft, von denen sie Nachlasszugehörigkeit und Besitz des Beklagten behauptet. Hilfsweise wird Schadensersatz verlangt. Darüber hinaus sind zahlreiche Zusatz- und Hilfsanträge Teil des Rechtsstreits. Der Beklage hat die Klägerin widerklagend auf Auskunft in Anspruch genommen.

Zwischen den Parteien besteht neben einer Vielzahl anderer Rechts- und Tatsachenfragen Streit darüber, ob auf Miteigentum und Erbschaftsbesitz beruhende Herausgabeansprüche der Klägerin (§§ 985, 2018 BGB) als verjährt anzusehen waren. Der Beklagte hat sich neben anderen Einwänden maßgeblich auch auf die Einrede der Verjährung gestützt.

Das Landgericht hat den Beklagten verurteilt, der öffentlichen Versteigerung derjenigen Kunstwerke zuzustimmen, die in dem mit Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 30.01.2007 (7 O 147/05) festgelegten Teilungsplan genannt sind. Der Beklagte wurde zudem verurteilt, diese Kunstwerke zum Zweck ihrer öffentlichen Versteigerung an die Erbengemeinschaft herauszugeben. Ferner muss er der Kündigung von Verwahrungs-, Leih- und sonstigen Nutzungsverhältnissen mit verschiedenen Museen zustimmen.

Darüber hinaus wurde der Beklagte zur Herausgabe eines erheblichen Teils der ca. 1.600 weiteren begehrten Werke verurteilt. Zudem muss er der Herausgabe zahlreicher Kunstwerke zustimmen die sich im Besitz Dritter befinden. Schließlich wurde der Beklagte zur Zahlung von Wertersatz an die Klägerin für bereits veräußerte Kunstwerke verurteilt.

Im Übrigen wurde die Klage ebenso wie die auf Auskunft gerichtete Widerklage des Beklagten abgewiesen.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Wesentliche Erwägungen der Kammer

Da wesentliche Auskunftspersonen als Zeugen nicht mehr zur Verfügung standen, hat das Landgericht die Klage im Wesentlichen nach den Regeln der Darlegungs- und Beweislast entschieden und hier eine sekundäre Darlegungslast des Beklagten anerkannt, der dieser nur in Einzelfällen gerecht geworden ist.

Der Beklagte ist nach Auffassung des Gerichts gemäß §§ 985, 2018, 2038 BGB zur Herausgabe der Nachlassgegenstände an die Erbengemeinschaft verpflichtet. Nach der Überzeugung des Gerichts war in der großen Mehrzahl der Fälle von Nachlasszugehörigkeit und unmittelbarem oder mittelbaren Besitz des Beklagten auszugehen, da der Beklagte seiner sekundären Darlegungslast nur teilweise nachgekommen ist. Die Erbschaftsanmaßung durch den Beklagten ist unstreitig und vom Beklagten eingeräumt worden.

Die Ansprüche der Klägerin waren auch nicht verjährt. Das Landgericht hat die Verjährung verneint (§ 197 I Nr. 2 BGB, § 758 BGB), da die 30-jährige Verjährungsfrist erst mit dem Tode der Mutter des Beklagten im Jahre 2010 zu laufen begonnen habe. Die Mutter des Beklagten, die Tochter Oskar Schlemmers, war zu Lebzeiten nicht als Erbschaftsbesitzerin im Sinne des Gesetzes anzusehen. Der Anspruch auf Vollzug des Teilauseinandersetzungsplans aus dem Urteil vom 30.01.2007 und damit auf Zustimmung zur Versteigerung ergibt sich aus §§ 2042 ff. BGB.

Da auch die Klägerin mit einem erheblichen Teil ihrer Anträge unterlegen ist, können beide Parteien das Urteil mit dem Rechtsmittel der Berufung anfechten.

Dr. Sebastian Sonn, Sprecher des Landgerichts Stuttgart in Zivilsachen

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