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Landgericht Stuttgart weist eine Klage der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg e.V. gegen Versicherungsbedingungen der Allianz Lebensversi-cherungs-AG bei fondsgebundenen Verträgen zur Riester-Rente ab

Datum: 10.07.2023

Kurzbeschreibung: Die 53. Zivilkammer unter dem Vorsitzenden Richter am Landgericht Lennartz hat am 10.07.2023 entschieden, dass eine Klausel der Allianz Lebensversicherungs-AG aus dem Jahr 2006 zur Anpassung des sogenannten Rentenfaktors in Verträgen über eine Riesterrente wirksam ist (53 O 214/22).

Gegenstand des Verfahrens

Der in Anspruch genommene Versicherer sah in seinen Allgemeinen Versicherungsbedingungen, die teilweise in im Jahr 2006 abgeschlossene Riesterrenten-Verträge einbezogen worden sind, die Möglichkeit vor, den sog. Rentenfaktor unter bestimmten Voraussetzungen abzusenken. Die Absenkung soll möglich sein, wenn die Rendite der Kapitalanlagen, in die der Versicherer die Prämien anlegt, unvorhergesehen so stark sinken sollte, dass die Rentenzahlungen auf Dauer nicht mehr gesichert werden können. Dies führt bei den betroffenen Verträgen zu einer geringeren Rentenzahlung. Voraussetzung hierfür ist die Zustimmung eines unabhängigen Treuhänders. 

Die klagende Verbraucherzentrale Baden-Württemberg e.V. sieht diese Regelungen vor allem deswegen als unwirksam an, da sie Verbraucher unangemessen benachteilige, weil nicht zugleich bei erneuter Änderung der Umstände (z.B. bei einer Erholung am Kapitalmarkt) eine Erhöhung der Leistungen vorgesehen ist.

Die Klage wurde abgewiesen. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Wesentliche Erwägungen der Kammer

In ihrem Urteil stellt die Kammer fest, dass die Regelung in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen weder gegen zwingende gesetzliche Vorschriften verstoße noch die Versicherungsnehmer entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteilige (§ 307 BGB).

Dabei hat die Kammer zunächst eine vergleichbare Regelung im Versicherungsvertragsgesetz (VVG) herangezogen. Der Gesetzgeber hat dem Versicherer in § 163 VVG eine Berechtigung zu einer Neufestsetzung der vereinbarten Prämie zugebilligt. Er hat sich dort aber bewusst für ein einseitiges Recht zur Prämienerhöhung durch den Versicherer entschieden, ohne dass bei – erneut – geänderten Voraussetzungen der Versicherer verpflichtet ist, die Prämienerhöhung wieder rückgängig zu machen. Vor diesem Hintergrund könne ein Versicherer in einem ähnlichen Sachverhalt, wie er hier bestehe, in den Versicherungsbedingungen ein einseitiges Anpassungsrecht vorsehen, ohne dies wieder rückgängig machen zu müssen. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs könne bei Verträgen über eine Lebensversicherung auch nicht auf den Grundsatz zurückgegriffen werden, dass Anpassungsklauseln eine spiegelbildliche Rückanpassung vorsehen müssten, wenn sich Umstände zugunsten der Verbraucher änderten.

Zwar müsse dem Versicherungsnehmer, der sich für eine fondsgebundene Versicherung entschiede habe, bei der sich die Entwicklung nicht prognostizieren lasse, eine Möglichkeit zur Reaktion auf die Anpassung durch den Versicherer gewährt werden, um ihn nicht unangemessen zu benachteiligen. Das sei hier aber der Fall. Die Versicherungsbedingungen räumten eine Möglichkeit freiwilliger Zuzahlungen ein. Der Versicherungsnehmer könne einmal jährlich eine einmalige Zuzahlung leisten; er könne auch einmal jährlich – und damit auch für künftige Jahre – die vereinbarte Prämie erhöhen. Damit stehe ihm die Option zu einer Erhöhung des für die Bildung der Rente zur Verfügung stehenden garantierten Kapitals offen, um so das bei Vertragsschluss in Aussicht genommene Niveau der späteren Rente sichern zu können.

Dr. Sebastian Sonn, Sprecher des Landgerichts Stuttgart in Zivilsachen





Anhang: Rechtsvorschriften und Vertragsbestimmungen

Bürgerliches Gesetzbuch

§ 307

Inhaltskontrolle

(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist.

(2) Eine unangemessene Benachteiligung ist im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung

1.    mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist oder

2.    wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrags ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist.

(3) …

 

Versicherungsvertragsgesetz

§ 163

Prämien- und Leistungsänderung

(1) Der Versicherer ist zu einer Neufestsetzung der vereinbarten Prämie berechtigt, wenn

1.    sich der Leistungsbedarf nicht nur vorübergehend und nicht voraussehbar gegenüber den Rechnungsgrundlagen der vereinbarten Prämie geändert hat,

2.    die nach den berichtigten Rechnungsgrundlagen neu festgesetzte Prämie angemessen und erforderlich ist, um die dauernde Erfüllbarkeit der Versicherungsleistung zu gewährleisten, und

3.    ein unabhängiger Treuhänder die Rechnungsgrundlagen und die Voraussetzungen der Nummern 1 und 2 überprüft und bestätigt hat.

Eine Neufestsetzung der Prämie ist insoweit ausgeschlossen, als die Versicherungsleistungen zum Zeitpunkt der Erst- oder Neukalkulation unzureichend kalkuliert waren und ein ordentlicher und gewissenhafter Aktuar dies insbesondere anhand der zu diesem Zeitpunkt verfügbaren statistischen Kalkulationsgrundlagen hätte erkennen müssen.

(2) Der Versicherungsnehmer kann verlangen, dass an Stelle einer Erhöhung der Prämie nach Absatz 1 die Versicherungsleistung entsprechend herabgesetzt wird. Bei einer prämienfreien Versicherung ist der Versicherer unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 zur Herabsetzung der Versicherungsleistung berechtigt.

(3) Die Neufestsetzung der Prämie und die Herabsetzung der Versicherungsleistung werden zu Beginn des zweiten Monats wirksam, der auf die Mitteilung der Neufestsetzung oder der Herabsetzung und der hierfür maßgeblichen Gründe an den Versicherungsnehmer folgt.

(4) Die Mitwirkung des Treuhänders nach Absatz 1 Satz 1 Nr. 3 entfällt, wenn die Neufestsetzung oder die Herabsetzung der Versicherungsleistung der Genehmigung der Aufsichtsbehörde bedarf.

 

Allgemeine Versicherungsbedingungen

§ 1

Was ist versichert?

(3) Im Versicherungsschein nennen wir Ihnen den Rentenfaktor; er gibt die Höhe der monatlichen Rente an, die - basierend auf dem Rechnungszins von 2,76 % und den Annahmen der Lebenserwartung nach der vom Geschlecht unabhängigen unternehmenseigenen Sterbetafel AZUNI 2005 R - für je 10.000 € Policenwert gezahlt wird.

Wenn aufgrund von Umständen, die bei Vertragsabschluss nicht vorhersehbar waren, die Lebenserwartung der Versicherten sich so stark erhöht oder die Rendite der Kapitalanlagen (siehe § 25 Abs. 1 e Satz 4) nicht nur vorübergehend so stark sinken sollte, dass die in Satz 1 genannten Rechnungsgrundlagen voraussichtlich nicht mehr ausreichen, um unsere Rentenzahlungen auf Dauer zu sichern, sind wir berechtigt, die monatliche Rente für je 10.000 € Policenwert so weit herabzusetzen, dass wir die Rentenzahlung bis zu Ihrem Tode garantieren können. Zu diesem Zweck können wir für die Berechnung des Rentenfaktors als Rechnungsgrundlagen

-      bei einer unerwartet starken Erhöhung der Lebenserwartung: die Sterbetafel

-      bei einer nachhaltigen Senkung der Rendite der Kapitalanlagen: den Rechnungszins

anwenden, die nach Maßgabe der aktuell gültigen aufsichtsrechlichen Bestimmungen und der offiziellen Stellungnahmen der Deutschen Aktuarvereinigung e. V. (DAV) als gebotene Rechnungsgrundlagen für die Berechnung der Deckungsrockstellung für neu abzuschließende Rentenversicherungen gelten. Dieses Recht steht uns nur vor dem vereinbarten Rentenbeginn zu; wir dürfen es nur mit Zustimmung eines unabhängigen Treuhänders ausüben, der die Berechnungsgrundlagen und sonstigen Voraussetzungen zu überprüfen und deren Angemessenheit zu bestätigen hat. Über die Höhe des neuen Rentenfaktors werden wir Sie unverzüglich informieren. …

 

§ 14

Wie können Sie Zuzahlungen leisten oder die Beiträge an Ihre persönlichen Verhältnisse anpassen?

Sie können einmal jährlich für das laufende Kalenderjahr eine einmalige Zuzahlung leisten.

Sie können auch einmal jährlich den vereinbarten Beitrag erhöhen.

Die Zuzahlung bzw. die Beitragserhöhung führt zu einer Erhöhung des für die Bildung der Rente zur Verfügung stehenden garantierten Kapitals um die Zuzahlung bzw. die Summe der vereinbarten Erhöhungsbeiträge.

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